Brennpunkt – Übergabe?!

Veröffentlicht: September 7, 2011 in Rettungsdienst
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Vor kurzem musste ich mal wieder erleben, wie unterschiedlich die Wertschätzung einer Übergabe ist. Folgendes:

Auf der Rückfahrt einer befreundeten Wache vom gemütlichen Pläuschen mussten wir schon wieder ran. Wir wurden gerufen und uns wurden die Daten durchgegeben, die unter anderem „VU mit Kradfahrer“ enthielten. Mit Sondersignal machten wir uns schnellstmöglich auf den Weg. Als wir angekommen waren, sahen wir schon unsere nächsten Schritte vor dem inneren Auge abspielen, denn die Meldung schien diesmal haargenau zu passen. Ein Kradfahrer wurde von einem Mittelklasse-Wagen bei einem Überholvorgang erwischt.

Nach dem üblichen Prozedere und dem zügigen Anfahren eines naheliegenden Maximalversorgers fanden wir uns kurz darauf mit unserem Patienten in der Liegendeinfahrt wieder. Schnellen Schrittes eilten wir auf das schon bereitstehende Team des Notaufnahmepersonal zu und folgten ihnen den bekannten Weg in den ersten Schockraum.

Während wir dann behutsam umlagerten, fing mein Kollege an eine Übergabe zu machen.Und ab dem Zeitpunkt fiel mir auf, dass ihm überhaupt keiner zuhörte. Jetzt könnte der gemeine Skeptiker sagen: „Ok, Moment mal, beim Umlagern ist Vorsicht geboten und möglicherweise konnte sich deshalb in dem Augenblick keiner auf eine Übergabe konzentrieren.“ Gut. Das muss man der Stelle auch gelten lassen. So packten wir langsam zusammen und versuchten unseren Kram zentral auf der Trage zu sammeln, als mein Kollege sodann einen erneuten Versuch startete. Ich beobachtete aber nicht weniger scharfsinnig die Nicht-Reaktion bzw. Abwesenheit der Aufnahmeschwestern und Ärzte, die sich wieder keineswegs für ein paar Werte oder interessante Erkenntnisse zu interessieren schienen, als mein Kol. einen zweiten Versuch unternahm. Ich flüsterte ihm leise zu, dass er wohl ein wenig lauter sprechen, um hier mal Gehör zu finden. Aber auch das half anscheinend nichts. Er kam nach ungefähr zehn Minuten wieder (-ich hatte schonmal ein bisschen Chaosbewältigung betrieben-) und ihm war der Ärger über soviel Ignoranz und Fahrlässigkeit im Gesicht abzulesen. Mit einem Anflug eines Lächelns fragte ich, ob noch eine vernünftige Übergabe loswerden konnte. Wie geahnt, waren alle viel zu beschäftigt und überlastet, dass einfach niemand verfügbar war. Irgendwann hat er eine Schwester bestimmend zur Seite genommen, alles Wichtige runtergerattert, etwaige Fragen beantwortet und ihr eine Kopie in die Hand gedrückt.

Auf der Rückfahrt mussten wir erst einmal diskutieren, was das jetzt genau war?! Hatten wir irgendwas an uns oder gibt es eine geheime Dienstanweisung in jenem Krankenhaus, die verbietet, jedwede Übergabe abzulehnen? Sahen wir zu inkompetent aus oder sahen uns nicht in der Lage wiederverwertbare Ergebnisse wiederzugeben?

Nach Hin und Her kamen wir zu dem Schluss: Vielleicht sind wir aber auch nur zu verwöhnt und versteift. Gewohnt waren wir bis jetzt immer, dass wir eine solide Übergabe vom Krankehauspersonal, z.B. bei Krankentransporten, bekamen und wir im Gegenzug genauso eine Übergabe an die Pflegeeinrichtung o.Ä.  unternahmen. Geradezu selbstverständlich ist jedoch schon immer eine Übergabe vom Rettungsdienst an die Klinik bei Notfallgeschehen. Wir pochen immerzu wie die annehmenden Schwestern, Assistenten, Ärzte usw. auf eine ordentliche Übergabe. Ohne Übergabe keine Übernahme, quasi.

Bei genauerem Hinsehen wird einem auch sehr schnell sehr deutlich wie unverzichtbar dieses Vorgehen ist. Denn normalerweise ist die Übergabe ein elementar wichtiges Glied in der Kette einer optimalen Patientenversorgung. Wie dann über sie so einfach hinweg zu sehen ist, kann ich mir nicht wirklich erklären. Streng genommen ist solch ein Verhalten nicht nur fahrlässig (weil intiale Werte, Vorerkrankungen, regelm. Medikationen, Allergien! usw. des öfteren mal äußerst wichtig sind), sondern auch respektlos und unverschämt dem Rettungsdienst gegenüber, da die Verantwortung für den Patienten mit vollständiger Übergabe erst komplett an die Klinik abgegeben wird. Wer sich nicht nach einer Übergabe erkundigt oder eine erbittet, macht dadurch eher einen unprofessionellen und unerfahrenen Eindruck.

Ich weiß natürlich nicht, ob der Stellenwert von Region zu Region unterschiedlich ist. Jedenfalls kann ich aus Erfahrung, dass unsere Auffassung gemein ist mit dem Rettungsdienst in einem Umkreis von 30km.

Ob der Patient ohne Folgeschäden überlebt hat, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Die Prognosen sahen recht gut aus, aber man weiß ja nie recht. Mal schauen, ob die Tage Gewissheit einzuholen ist. Natürlich unterstell‘ ich damit jetzt nicht, dass ein positiveres Outcome bei angenommener Übergabe zu erwarten gewesen wäre. Das wollte ich nochmal klarstellen. In welchem Verhältnis die zu einander stehen, sollen Experten entscheiden. Bei Änderungen oder Komplikationen im normalerweise eingespielten Ablauf (bei bestimmten Krankheitsbildern) kommen halt zwangsläufig immer Gedanken über den Zustand des Patienten ins Spiel, wenn man das zur Verteidigung anführen darf . 😛

Vielleicht waren wir aber auch einfach nur Störenfriede der nächtliche Ruhe oder haben mittlerweile einen schlechten Ruf in jenem Krankenhaus, oder oder… Ich werd‘ mich demnächst mal umhören, wie sich das in Zukunft gestaltet.

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