Ein ganz normaler San-Dienst

Veröffentlicht: Oktober 31, 2011 in Rettungsdienst
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Nach einiger Zeit ist mir nun gelungen, mich mal aufzuraffen und meine Gedanken in textform zu bringen.

Die verbachte Zeit dürfte ich unter anderem auf wirklich sehr erheiternden und belustigenden Sanitätsdiensten verbringen. Aufgrund einer Erkältungsgeschichte habe ich erstmal keine Rtw- oder Ktw- Schichten angenommen. Heißt natürlich nicht, dass man nicht gleich aus dem Kader der üblichen Verdächtigen gestrichen wird. So kam es auch schnell, dass ehe ich mich versah, auf einem San-Dienst mein Unwesen trieb. Ich dachte mir im Stillen, dass ein paar Stunden rumsitzen, Essen, bisschen quatschen und nach Hause fahren, dafür wirklich gut bezahlt werden. Leider sollte ich meine Meinung  noch früh genug ändern:

Früh morgens stieg ich noch müde in meinen Wagen und fuhr laaangsam zur Wache. Es war schon reges Gewusel zu registrieren, und zu allem Unmut schlenderte noch der Schichtführer in den Gängen der Wache umher. Wahrscheinlich wieder auf der Suche nach verirrten Zivis oder Ehrenamtlern, die er im Momente des Unbeobacht-Seins mit seinem imaginären Fangnetz für Dienste aquirierte. Ich huschte vorbei an den kritischen Stellen, sind mir doch die Schlupflöcher und unbenutzten Wege nur zu gut bekannt. 😉 Ich befand mich dann schon im Umkleideraum und wechselte meine Kleidung. Zu allem Erstaunen waren meine passende Hosen- und T-Shirt-Größe noch vorhanden, obwohl ich, weitsichtig wie ich bin, noch einen passenden Satz im Auto mithatte. (Jeder, der schonmal mit überweiter Einsatzkleidung arbeiten musste, weiß sehr genau, wie wichtig ein Reservesatz in unmittelbarer Reichweite ist :D)

Umgezogen und gestriegelt begab ich mich auf die Suche nach San-Rucksack und einem geeigneten und freiem(!) Auto. Nach kurzer, routinierter Umher-irrerei (die Wache hat ihre Räumlichkeiten mitttlerweile umstrukturiert) waren alle nötigen Sachen gefunden und verstaut. Mittlerweile kam auch der Kollege aus dem Umkleideraum und ging mit mir gemeinsam zum Wagen. Wir fuhren nun eine Weile und stationierten und fachgerecht. Materialien wurden zurechtgelegt und eine Position gesucht, in der man einige Zeit ruhig aushalten könnte.

So verging die Zeit und es füllte sich die zentrale Unfall-Hilfs-Stelle mit immer motivierterem Personal und abgefahrenerem Gerät. Da ich die andere Dimension, in der man sich auf San-Diensten befindet schon kannte, machte ich mir keine unnötigen Gedanken.

Ein paar Patienten wurde behandelt, mehr oder weniger schlimm verletzt, und es hieß Essenszeit. Eine recht anschauliche Anzahl an Familienpizzen wurde in dem Personalcontainer getragen und schon begann das Schauspiel. Die adipösesten Hobby-Retter preschten blitzartig nach vorne und ergatterten sich einen Karton(!), wo normal Menschen sich höchstens ein paar Stücke wegnahmen, dampfte und köstlich duftende Pizzen. Die 1,5l Cola (light :D) stets in der Linken schlenderten sie auf die nächste freie Sitzgelegenheit zu und begannen ihr Festmahl. Im einvernehmlichen Stillschweigen hofften, glaub ich, alle sogleich, dass die Partybänke tatsächlich dem Gewicht standhalten würden. Doch die Balken wurden nur arg in Mitleidenschaft gezogen, leichtes Ächzen und Knarren, nicht weiter.

Ich hatte jedoch leider nur einen der hinteren Plätze in der Schlange, sodass ich mit Verdruss feststellen musste, dass nur noch die kalten, zerfetzten Pizzastücke in der Ausgabe lagen.

Ich nahm widerwillig ein, zwei und zwingte sie mir runter. Im Hinterkopf den Gedanken: „Du musst den auch was kosten, sonst bestellen sie demnächst wieder so wenig.“ So vernichtete ich das Pizzagemetzel und beschlagnahmte erstmal eine Mineralwasserflasche in der Nähe, die ich aber nicht sonderlich verteidigen musste, was jedoch beim momentan aufgefahrenen Dessert exakt dem Gegenteil entsprach.

Ich guckte auf die Uhr und genoss die langsam in mir aufsteigende Feierabendfreude. Ich packte ein bisschen zusammen und schnappte nochmal die vielen lustigen Momente der adipösen Hobby-Retter auf. Diese stritten derweil über die offensichtlich sehr raren Erdbeer-Joghurts. Harte Geschütze wurden da teilweise aufgefahren, wo letztendlich mit der rettungsdienstlichen Qualifikation versucht wurde, Eindruck zu schinden. Amüsant, aber auch recht traurig, wenn man bedenkt, dass in einer Großschadenslage jene Leute, die sich gerade äußerst kindisch um Essen zankten, retten sollen?! Irgendwie ein seltsames Gedankenkonstrukt.

Naja, da gilt wohl: Dem Ehrenamt sein Dank!

Weitere Minuten vergangen und ich durfte fahren. Bei meinen persönlichen Zeitvertreibern verabschiedete ich mich und fuhr gemächlich zur Wache, immernoch leicht am Schmunzeln über die grotesken Bilder, die mein Gehirn noch mühselig versuchte zu verarbeiten.

Ander Wache angekommen, warf ich die Klüngels nur noch in die nächstgelegene Ecke und schrie um Eck‘, dass ich nun im Feierabend verschwinde; leider saß diesmal aber nun der Wachleiter im Büro :(, sodass ich eine kurze Rückmeldung aus den Fingern saugen musste. Und jetzt macht das mal, wenn du in 9 Stunden nichts Sinnvolleres getan hast als Lachen und Quatschen :D. Zum Glück gelang es mir halbwegs, zumal der Wachleiter selbst gedanklich schon im Feierabend war. Ich wurde entlassen und huschte wieder wie ein Ninja auf Mission an den sensiblen Ecken vorbei, krauchte zum Wagen und düste davon. Ein wirklich schöner Arbeitstag. Aber leider anstrengender als eine normale Rtw-Schicht bzw. eine Nacht auf’m Ktw.

Fazit: Wenn möglich erstmal keine San-Dienste mehr für mich, wenn es mir irgendwie gelingen sollte, auszuweichen.

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